Die Leidenschaften Philip Johnsons
Ein Beitrag von Prof. Dr. Jeffrey Lieber
Professor für Kunstgeschichte an der Staatlichen Universität Texas
Impulsvortrag im Rahmen des Symposiums
Gestern. Heute! Morgen?
Vom Museum der Spätmoderne, seinen Geschichte(n) und seiner Zukunft, Denkmalschutz, dem „Dritten Ort“ oder Klimakiste versus Klimakrise.
Teil I, 21.+ 22. April 2023
Gute Geister, Böse Geister: Den Geschichten der Kunsthalle ins Auge sehen
The Passions of Philip Johnson (Die Leidenschaften Philip Johnsons)
Lassen sich aus dem Leben und dem Werk einer Persönlichkeit, über die schon so viel geschrieben wurde, neue Erkenntnisse ziehen? Seit seinem Tod im Jahr 2005 im Alter von 98 Jahren haben Historiker die Mythen analysiert, die Johnson während seines langen Lebens für sich selbst kultivierte, und seinen Einfluss auf die Entwicklung der modernen und zeitgenössischen Architektur bewertet. Analysen von Johnsons Leben und Werk verfallen manchmal in Stereotypen. Man hat ihm stilistische Promiskuität vorgeworfen, ihn als verweichlicht und narzisstisch bezeichnet und ihn als überspannten Nihilisten und destruktiven Zyniker dargestellt, der normative soziale und politische Werte verachtete. Das Ausmaß von Johnsons faschistischen Aktivitäten in den 1930er Jahren ist inzwischen gut dokumentiert. Viele Historiker sind der Ansicht, dass Johnson sich in den 1950er und 1960er Jahren von der Politik distanzierte, um seinen Ruf zu rehabilitieren, und haben in seinem Werk kaum politische Inhalte gefunden, obwohl er sich in seinen späteren postmodernen Projekten offenbar dem Diktat des Unternehmenskapitalismus unterworfen hat. Diese Themen werfen mehrere Fragen auf, die Lieber in seinem Vortrag behandelt: Was geschah mit Johnsons politischen Leidenschaften nach 1940, als er im Alter von 34 Jahren seinen politischen Aktivismus aufgab und sich an der Graduate School of Design der Harvard University einschrieb? In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg sprach Johnson oft von seiner „Leidenschaft für Geschichte“. Wie setzte er diese Leidenschaft in seinen Schriften ein und zu welchem Zweck? Wie dramatisierte Johnson seine Vorstellungen von Schönheit und Geschichte in den Pavillons, die er auf seinem Anwesen in New Canaan baute, und in seinen Museumsentwürfen der 1950er und 1960er Jahre, und waren diese Projekte Teil eines oppositionellen Ansatzes?
Den Mitschnitt des gesamten Vortrags könnt ihr euch hier ansehen.
Jeffrey Lieber ist außerordentlicher Professor für Kunstgeschichte an der Texas State University und Autor von „Flintstone Modernism or the Crisis in Postwar American Culture“ (MIT Press, 2018). Seine Essays über Philip Johnson sind in internationalen Publikationen erschienen, unter anderem in der Neuen Zürcher Zeitung. Liebers Meinungsbeitrag in der New York Times von 2018 („What Will We Lose When the Union Carbide Building Falls?“) löste eine Debatte über die Bedeutung der Architektur der Mitte des 20. Jahrhunderts in den USA aus. Seine weitreichenden Interessen auf diesem Gebiet wurden unter anderem durch den „Delmas Foundation Grant for Independent Research“ in Vene-dig gefördert und spiegeln sich in der Kuratierung provokativer Filmreihen für das Harvard Film Archive und The New School in New York wider. Er erhielt seinen AB vom Vassar College und seinen PhD in Kunstgeschichte von der University of Michigan, Ann Arbor.
Das Symposium wird gefördert und unterstützt durch: