Paula Modersohn-Becker / Ian Wilson
Pinsel, Linie und Behauptung - miteinander gegenüber #10
In der Ausstellungsreihe „miteinander gegenüber“ trifft ein Werk der Sammlung der Kunsthalle Bielefeld auf eine ausgewählte Leihgabe aus einer anderen Institution. Diese Begegnung führt zu neuen, oft überraschenden Sichtweisen.
Das Werk „Selbstbildnis. Brustbild mit Pinsel in der erhobenen Hand“, 1902, von Paula Modersohn-Becker (1876–1907) aus der Sammlung der Kunsthalle trifft auf die Arbeit „Circle on the Floor #14“, 1968/2024, des südafrikanisch-US-amerikanischen Konzeptkünstlers Ian Wilson (1940–2020) aus der Sammlung Haubrok. Während Modersohn-Becker sich mit einem Pinsel in der Hand porträtiert und sich dadurch bahnbrechend für die Zeit um 1900 demonstrativ als Malerin positioniert, behauptet Ian Wilson mit einem Kreis, der mit Kreide auf den Boden gezeichnet ist, eine Skulptur, losgelöst von einem Kontext.
Die Ausstellung entsteht in Kooperation mit der haubrok foundation.
Die Ausstellungsreihe entsteht in Zusammenarbeit mit dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereich (SFB) 1288 «Praktiken des Vergleichens. Die Welt ordnen und verändern» der Universität Bielefeld.
miteinander
gegenüber
Die Reihe „miteinander gegenüber“ richtet den Fokus auf ein Werk aus der Sammlung der Kunsthalle Bielefeld, das in der Gegenüberstellung mit einer ausgewählten externen Arbeit zentrale Fragestellungen aufgreift. Im Zentrum steht immer ein konzentrierter Vergleich der ausgewählten Arbeiten.
Medienguide
Wenn diese Frau Ihnen jetzt und hier in der Kunsthalle gegenübertreten würde. Welchen ersten Eindruck hätten Sie von ihr? Wie alt mag sie sein? Ist sie eher schüchtern oder selbstbewusst? Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, um sich ein eigenes Bild von ihr zu machen!
Die Frau ist Paula Modersohn-Becker. Sie ist 26 Jahre alt, als sie sich vor ihrem zweiten Aufenthalt in Paris hier porträtiert.
In der Silvesternacht 1900 fährt sie zum ersten Mal von Bremen nach Paris, denn sie möchte unbedingt Malerin werden. In Deutschland durften Frauen damals nicht an Kunstakademien studieren. Das ist in Frankreich anders: Hier kann Paula Modersohn-Becker lernen, Fragen stellen, sich ausbilden!
Vielleicht ist sie mutig, zielstrebig, aber doch auch ein wenig schüchtern. Mutig, denn sie stellt sich hier selbstbewusst als Malerin dar. Mit dem Pinsel in der Hand! Und sie blickt uns direkt an. Seit Jahrhunderten gibt es Porträts von männlichen Künstlern in dieser Art. Haben Sie ihre roten Wangen registriert? Vielleicht ist sie auch ein bisschen aufgeregt über ihre Aussage: Hier bin ich, Paula-Modersohn-Becker, und ich bin Malerin!
Text: Christiane Lutterkort
Eingesprochen von: Charlotte-Sophie Laege
Aufnahme und Schnitt in Kooperation mit dem Making Media Space im Digital Learning Lab der Universität Bielefeld.