„Unsichtbare“ Museen.
Oder: Die Erfindung des Neuen als Entdeckung des Vorhandenen.

Ein Beitrag von Prof. Dr. Stanislaus von Moos

Emeritierter Professor für moderne und zeitgenössische Kunst an der Universität Zürich Emeritierter

Impulsvortrag im Rahmen des Symposiums
Gestern. Heute! Morgen?
Vom Museum der Spätmoderne, seinen Geschichte(n) und seiner Zukunft, Denkmalschutz, dem „Dritten Ort“ oder Klimakiste versus Klimakrise.
Teil II, 1.+ 2. September 2023
Wie weiter? Immer mehr ist nicht genug. Best Practice im Umgang mit Sanierung, Erweiterung, Umwidmung im Spiegel der erweiterten Museumsfunktion des Dritten Ortes.

Im Vordergrund die Silhouetten einer Reihe von Menschen, die an ein Geländer gelehnt stehen. Sie schaune hoch zu einer gelb glühenden Kugel, die einen industriell wirkenden Schacht erleuchtet.
Olafur Eliasson The Weather Project 2003, Installationsansicht, Turbine Hall im Tate Modern

Die Entdeckung, dass Städte und städtische Brachen, die im Zeichen der De-Industrialisierung auf der Schattenseite des Erfolgs gelandet sind, mittels aus dem Rahmen fallender Architektur zu Tourismusdestinationen umgebaut werden können, hat um 1980 einen Jahren einen weltweiten Museumsbau-Boom ausgelöst. Dann kam die Finanzkrise. Sie scheint der bisweilen hysterischen Entwicklung inzwischen den Wind aus den Segeln genommen zu haben. Die Idee, den Museumsbau als gigantische computergesteuerte Freihand-Skulptur zu denken und so mit der Dynamik des Kunstmarkts zu synchronisieren verschwand wieder im Depot.

Demgegenüber scheint das, was man den „archäologischen“ Denkansatz nennen könnte, im Museumsbau der jüngsten Zeit eine zunehmende Faszination auszuüben. Er hat den Vorteil, einer Disziplin entliehen zu sein, die sowohl für die Baukunst wie für die Institution Museum seit je konstituierend ist: die Archäologie. Im Mittelpunkt des Vortrags steht die 1994-200 realisierte „Tate Modern“ in London. In dezidierter Abkehr von den modernistischen oder historisierenden Spielereien der 1980er Jahre orientiert sich das neue Museum am vorhandenen Bestand der monumentalen, um die Jahrhundermitte entstandenen Elektrizitätszentrale. Die Architekten berufen sich auf den japanischen Kampfsport und insbesondere die «Aikido-Strategie», die darin besteht, die Kraft des Gegners für die eigenen Zwecke ins Werk zu setzen: «Instead of fighting it you take all the energy and shape it in an unexpected and new way.» – Damit war auch gesagt, dass der historische Bestand nicht etwas ist, das primär in seiner materiellen Authentizität «konserviert» werden soll, sondern eine Idee, die im Interesse der neuen Aufgabe und von deren eigenem Anspruch auf Monumentalität auch von Verunreinigungen gesäubert, ja sogar formal geschärft werden darf, ja muss. Auch in jüngeren Arbeiten des Büros ist der „archäologische Denkansatz“ zentral. Dabei soll nicht aus den Augen verloren werden, dass es die Postmoderne der 1980er Jahre war, die entsprechende Perspektiven aufzeigte.

Den Mitschnitt des gesamten Vortrags könnt ihr euch hier ansehen.

Ein älterer weißer Mann zwischen skulpturaler Kunst. Er trägt kurze weiße Haare und Bart
Prof. Dr. Stanislaus von Moos, Foto: Dominik Wunderli

Stanislaus von Moos, ist Kunsthistoriker (*1940 in Luzern, Schweiz). Professor für moderne und zeitgenössische Kunst an der Universität Zürich (1983-2005) und seither Gastprofessor an der Yale School of Architecture (2010-2014) und an der ETH Lausanne (2016). Verfasser von Monografien über Le Corbusier (1968ff.), italienische Architektur der Renaissance (Turm und Bollwerk, 1976), die Architektur von Venturi, Scott Brown & Associates (1987; 1999) und zur Designgeschichte der Schweiz (Industrieästhetik, 1992). Kurator und Ko-Kurator mehrerer Ausstellungen zu Le Corbusier, Venturi, Rauch & Scott Brown sowie Louis Kahn. Arbeitet an Projekten zum Spannungsfeld von Bildender Kunst und Architektur im 20.Jh. allgemein sowie zu Architektur und Politik um die Mitte des 20. Jahrhunderts. Seine jüngsten Bücher haben den Schweizer Beitrag zur Wiederaufbaudiskussion im 2. Weltkrieg im Fokus (Erste Hilfe. Architekturdiskurs nach 1940, Zürich 2021) sowie die Architektur von Herzog & de Meuron (Fünfundzwanzig x Herzog & de Meuron, Göttingen, 2023; zusammen mit Arthur Rüegg).

Weitere Blogbeiträge zum Architektursymposium   

Das Symposium wird gefördert und unterstützt durch:

Schwarz-weiß Logo, linksbündig der Name der Institution und rechtsbündig das Wappen des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen.
Schwarz-weiß Logo, ein schwarzes Rechteck in dem der Name des Vereins in Großbuchstaben steht.
Stiftungsloge, in Grün steht links in Großbuchstaben B & A mit einem Kreis darum. Rechts daneben ist der Stiftungsname in Großbuchstaben ausgeschrieben.

Gallerie

Das Werbeplakat des Architektursymposiums mit Schrift in der Ecke links unten: Teil 2, 1. + 2. September.