Yana Wernicke: Vom Steinbruch zur Kunsthalle – der rote Mainsandstein
Kooperation mit der HSBI 2022/23

Wie kam der rote Mainsandstein nach Bielefeld? Yana Wernicke berichtet über das für die Region ungwöhnliche Material der Kunsthalle Bielefeld und ihre fotografische Annäherung an einen Stein mit langer Geschichte.
Seit Jahrtausenden prägen Sandsteine das Bild unserer Städte. Burgen, Schlösser, Kirchen und repräsentative Bürgerhäuser wurden aus Sandstein gebaut. Von Region zu Region variieren Oberfläche und Farbe des Steins und geben Stadtbildern ihr regional-charakteristisches Aussehen. Die rötliche Färbung, wie sie die Fassade der Kunsthalle aufweist, kommt in Deutschland hauptsächlich in Steinbrüchen entlang des Mains vor.
Wie kam es dazu, dass dieser in der Rhein-Main-Region populäre Baustoff in Ostwestfalen Verwendung fand? Hätte der ambitionierte Museums-Entwurf nicht nach einem anderen, edleren Material verlangt? Tatsächlich war es wohl eine Geldfrage. Ursprünglich sollte das Gebäude des US-amerikanischen Star-Architekten Philip Johnson in Granit eingekleidet werden. Aufgrund steigender Kosten wurde die Idee jedoch verworfen.1 Die ökonomische Notwendigkeit zog eine gestalterische Zufälligkeit nach sich, die sich als gelungen erwies, denn nur deshalb steht die Kunsthalle heute in markantem Rot da. Wie sie wohl gewirkt hätte, wenn sie tatsächlich aus Granit gebaut worden wäre? Vielleicht ist es gerade der kostengünstigere rote Mainsandstein, der dem Gebäude seine Einzigartigkeit verleiht und der – im Gegensatz zum Granit – dem monumentalen Bau eine weniger bedrohliche Ausstrahlung verleiht. Vielleicht ist es auch die handgefertigte Scharrierung der Sandsteinplatten, die das Gebäude nahbarer und lebendiger wirken lässt.
Um dem roten Mainsandstein auf den Grund zu gehen, begibt sich Yana Wernicke auf die Suche nach Steinbrüchen, wo dieser heute noch abgebaut wird. Sie wird im unterfränkischen Miltenberg fündig, bei dem in der vierten Generation familiengeführten Natursteinwerk „Wassum“ – eines der wenigen, das den roten Mainsandstein heute noch abbauen darf. Hier konnte sie nicht nur fotografieren, sondern erhielt auch tiefgehende Einblicke in die Besonderheiten und die Verarbeitung des roten Steins, was wiederum ihren Blick auf die Kunsthalle stark beeinflusste. Die Fotoserie entstand an drei Orten: in Bielefeld direkt an der Kunsthalle, im Sandsteinwerk Wassum und Zuhause im Studio.
Das Gebäude selbst interessiert sie als monumentaler, roter Baukörper, dessen formale Entsprechungen sie in den senkrecht abfallenden Wänden des Steinbruchs findet. Das quadratische Maß der Fassaden-Steinplatten hat visuelle Referenzen in den Quadern des frisch gebrochenen Steins. Besonderes Augenmerk legt die auf die Beschaffenheit und Herkunft des Materials sowie auf seine Abnutzung in Form von Spuren und ausgebesserten, geflickten Stellen. Im Studio arrangierte Stillleben aus aus Miltenberg mitgebrachten Steinstücken greifen in ihren Grundformen die architektonischen Gesten der Kunsthalle auf und mit minimalen Mitteln spielerisch reproduziert.
1 Friedrich Meschede (Hrsg.), 50 Jahre Kunsthalle Bielefeld, Köln, 2018, S. 24.
Die Arbeit entstand im Rahmen von Text-Bild-Seminaren bei Prof. Roman Bezjak und Prof. Dr. Andreas Beaugrand vom Fachbereich Gestaltung der Hochschule Bielefeld im Wintersemester 2022/2023 und im Sommersemester 2023.
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