Pressematerial zu unseren Ausstellungen
Play, Life, Illusion. Xanti Schawinsky
+ Monster Chetwynd „Xanti Shenanigans

Die Kunsthalle Bielefeld präsentiert vom 15. März bis 15. Juni 2025
die erste umfassende Retrospektive des frühen Bauhauskünstlers Alexander „Xanti“ Schawinsky (1904-1979) in Deutschland seit über 35 Jahren. Ergänzt wird die Ausstellung durch eine Installation und Performance der britischen Künstlerin Monster Chetwynd (*1973), die auf Schawinskys Werk Bezug nimmt.
Unter dem Titel „Play, Life, Illusion“ zeigt die Ausstellung mit über 100 Gemälden, Fotografien, Bühnendesigns, Zeichnungen und Designgrafiken das multidisziplinäre Werk des schweizerisch-amerikanischen Künstlers Xanti Schawinsky in seiner ganzen Bandbreite. Die Ausstellung trägt zur Wiederentdeckung von Schawinskys lange unzugänglichem Werk bei, da ein Großteil der Werke zum ersten Mal seit dem Tod des Künstlers im Jahr 1979 präsentiert wird. Realisiert wurde die Ausstellung in Kooperation mit dem Mudam Luxembourg – Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean, wo sie bereits vom 12.07.2024 bis zum 05.01.2025 zu sehen war.
Xanti Schawinsky, 1904 in Basel geboren, war eine zentrale Figur am Bauhaus, wo er mit Künstler*innen wie Oskar Schlemmer, Walter Gropius, Paul Klee und Lázló Moholy-Nagy studierte und zahlreiche Bühnen- und Kostümdesigns, entwarf, Collagen und Fotografien anfertigte und pionierhaft die Idee des ‚Spectodramas’ entwickelte, einer neuen Theaterform, in der er nach eigenen Worten, „Farbe und Form, Bewegung und Licht, Klang und Wort, Pantomime und Musik, Grafik und Improvisation“ verbinden wollte. Nach Hitlers Machtübernahme im Jahr 1933 emigrierte Schwawinsky als jüdischer Künstler zunächst nach Italien und 1936 weiter in die USA. Dort lehrte er am Black Mountain College und wurde zu einem der wichtigsten Vertreter des transatlantischen künstlerischen Austauschs. Von großer formaler Vielfalt und experimenteller Neugier getrieben, engagierte sich Schawinsky in einigen der bedeutendsten künstlerischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts und hinterließ dort seine Spuren. Seine radikale Haltung zur performativen und prozessbasierten Erweiterung der Kunst hat noch heute Einfluss auf die junge Kunst.
Begleitend zur Ausstellung zeigt die Kunsthalle Bielefeld die Sammlungspräsentation „Kontext: Bauhaus. Blick in die Sammlung #9“ mit Werken von Künstler*innen, in deren Umfeld sich Schawinsky während seiner Zeit am Bauhaus und am Black Mountain College in Amerika bewegte. Das Bauhaus gilt bis heute als Laboratorium, das unterschiedliche Medien und Kunstformen miteinander verband. Zentrale Überlegungen der Bauhäusler*innen kreisten dabei um das künstlerische Zusammenspiel von Licht, Form, Farbe, Raum und Bewegung. Mit ausgewählten Sammlungswerken etwa von Josef Albers, Walter Dexel, Kurt Kranz u.a. werden zentrale Themen aufgegriffen, die den experimentellen Geist des Bauhauses beleuchten und sein Nachwirken bis heute veranschaulichen. Außerdem werden in bislang unveröffentlichten Interviews mit Schüler*innen und Bekannten von Xanti Schawinsky persönliche Einblicke in Leben und Arbeit des Künstlers gegeben.
Die Ausstellung ist eine Hommage an einen Künstler, der an zwei der bedeutendsten Kunstschulen des 20. Jahrhunderts – dem Bauhaus und dem Black Mountain College – lehrte und lernte. Er hat den Austausch zwischen den Disziplinen, die die Geschichte des letzten Jahrhunderts geprägt haben, aktiv gefördert. Zu den zahlreichen Disziplinen, die Schawinsky im Laufe seiner sechs Jahrzehnte währenden Karriere erforschte, gehören Theater, Bühnenbild, Fotografie, Grafik, Malerei, Collage und Typografie. Seine Pionierrolle bei der Entwicklung der Performance als Kunstform wirkt bis heute in der Arbeit junger Künstler*innen nach.
Monster Chetwynds „Xanti Shenanigans“
Schawinskys Auseinandersetzung mit interdisziplinären Ansätzen und performativen Elementen findet eine zeitgenössische Fortsetzung in der Arbeit der britischen Künstlerin Monster Chetwynd (*1973, London). Mit einer großformatigen Installation und einer Performance erweitert sie die Ausstellung und knüpft an Schawinskys künstlerisches Erbe an.
Inspiriert von seiner in den 1920er Jahren am Bauhaus entwickelten Idee des „mobilen Theaters“ trägt die Installation den Titel „Xanti Shenanigans“. Sie greift Schawinskys Ansätze auf und überführt sie in einen aktuellen Kontext. Obwohl beide Künstler aus unterschiedlichen historischen Kontexten stammen, verkörpern ihre Werke und der spielerische Geist, der sie antreibt, Multidisziplinarität, das karnevaleske Spiel mit Rollen, Materialien und Kostümen, Experimentierfreude und Offenheit gegenüber allen Formen der Bildenden Kunst.
Die beiden Präsentationen bieten einen einzigartigen Dialog zwischen dem Pionier des modernen Bühnendesigns und einer bedeutenden zeitgenössischen Künstlerin, die im Bereich der Performance arbeitet.
Auch wenn die Inspiration für „Xanti Shenanigans“ von Schawinskys Werk stammt, so nähert sich Chetwynd seiner Arbeit doch mit großer Freiheit, wie der Titel „Shenanigans“ („Streiche“, „Schabernack“) andeutet. Sie entlehnt einige von Schawinskys künstlerischen Prinzipien und Motiven, wie einige Formen seiner Kostüme und Bühnenbilder. Andere Elemente ihrer Installation wurden mit Hilfe eines Autos hergestellt, das über breite Stoffbahnen fuhr, eine Technik, die Schawinsky in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren für seine Track Paintings verwendete.
Die Bühnenelemente werden in einer eigens entwickelten Performance mit internationalen Akteur*innen zur Eröffnung aktiviert und sind auch während der Laufzeit der Ausstellung wiederholt Ort künstlerischer Auseinandersetzungen.
Die Ausstellung entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Nachlass Xanti Schawinsky und umfasst Werke all jener Disziplinen, in denen der Künstler gearbeitet hat
Ausstellungsvorschau 2025

Vergangene Ausstellungen
30.11.24-23.2.25
Träume einer Eule, Who the Bær und der verwundete Planet
Geschichten aus der Sammlung der Kunsthalle Bielefeld und eine Intervention von Simon Fujiwara

Die Kunsthalle Bielefeld präsentiert vom 30. November 2024 bis 23. Februar 2025 die Ausstellung „Träume einer Eule, Who the Bær und der verwundete Planet“, die die Sammlung der Kunsthalle neu ordnet und durch eine Intervention des britisch-japanischen Künstlers Simon Fujiwara ergänzt wird.
Wann träumen Eulen? Wovon träumen die Tiere, die in der Kulturgeschichte oft für Weitsicht und Weisheit stehen? Vielleicht erhoffte sich der Künstler Hans (Jean) Arp mehr Einsicht, als er seine 1937/38 entstandene Skulptur „Eule“ 1957 in „Eulentraum“ umbenannte? Mit seiner Auffassung, dass künstlerische und natürliche Prozesse gleichwertig sind und dass der Mensch und sein Handeln immer in Beziehung zur Natur stehen und ihr keineswegs übergeordnet sind, nahm Hans Arp zentrale Aspekte unseres heutigen Denkens vorweg.
Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit wird unser Handeln im planetarischen System sichtbar. Angesichts der Klimakrise ist ein Perspektivenwechsel in allen Lebensbereichen notwendig, von den Naturwissenschaften über Kunst und Kultur bis hin zu Politik und Alltag. Welche Rolle kann ein Museum dabei spielen? Unsere Sammlungen sind unser visuelles Gedächtnis: Welche Bilder und welche neuen Konstellationen helfen uns, unser Denken und unsere Vorstellungen, unser Verhältnis zur Welt zu verändern?
Ausgehend von Arps „Eulentraum“ als einem Schlüsselwerk, wirft die Ausstellung die Frage auf, welche Bilder uns zu diesem Perspektivenwechsel anregen oder ermutigen. Gezeigt werden insgesamt 200 Arbeiten von über 150 internationalen Künstler*innen, die das Verhältnis von Mensch und Natur umkreisen. Neben einigen Klassikern der Sammlung, darunter Arbeiten von Max Beckmann, Gerhard Richter, Auguste Rodin, Agnes Martin u.a., geht es auch um die Entdeckung von Künstler*innen mit regionalem Bezug wie Simone Nieweg, Theo Ortmann und Benita Koch-Otte. Außerdem werden Schenkungen und Ankäufe der letzten Jahre gezeigt (u.a. Werke von Olaf Nicolai, Rita Mc Bride, Katinka Bock). Einzelne Leihgaben (Hans (Jean) Arp, Julia Scher, Charline von Heyl) ergänzen die Ausstellung. Eine besondere Ausstellungsarchitektur wurde entwickelt, um in den Räumen eine dichte und reiche Bildnarration zu realisieren.
Welche Werke oder Themen der Sammlung der Kunsthalle Bielefeld sehen wir vor dem Hintergrund der Klimakrise, des planetarischen Denkens – oder kurz: im Zeitalter des Menschen, des „Anthropozäns“ – mit anderen Augen? Und welche Konsequenzen ziehen wir daraus für unsere Museumsarbeit? Diese Fragen werden nicht nur auf institutioneller Ebene und mit einem neuen Blick auf die eigene Sammlung untersucht, sondern mit einer Intervention des britisch-japanischen Künstlers Simon Fujiwara (*1982 in London, lebt in Berlin) um eine zeitgenössische künstlerische Stimme ergänzt, die zentralen Fragen unserer Lebensrealität Form gibt.
Fujiwara hat „Who the Bær“ erschaffen, eine Kunstfigur, die er seit 2020 kontinuierlich weiterentwickelt. „Who the Bær“ ist ein Bär, scheinbar ohne Geschlecht, Sexualität oder Nationalität, der in Zeichnungen, Gemälden, Skulpturen, Installationen und Filmen auftritt und in der Auseinandersetzung mit Kunst und Museen nach Identität und Orientierung sucht.
Die Arbeit „Once Upon a Who?“, eine Stop-Motion-Animation, erzählt die Entstehungsgeschichte der Figur und die Bedeutung der ihr zugeschriebenen Eigenschaften; Prozesse der Identitätsbildung, insbesondere in Bezug auf Geschlecht und Rasse; den Einfluss von Massenmedien, sozialen Medien, Dating-Apps und Celebrity-Kultur auf diese Prozesse sowie kulturelle Aneignung, Kolonialismus und die Kontroversen um Raubkunst.
In der Ausstellung werden mit der „träumenden Eule“ und „Who the Bær“ Figuren der Fiktion und Narration eingesetzt und das Symbolische und Märchenhafte genutzt, um bisher ungesehene Felder und Zusammenhänge in der Sammlung der Kunsthalle Bielefeld zu erkunden. Die spielerische Neuordnung der Sammlung nach Kategorien aus den Theorien des Anthropozän wurde gemeinsam mit Prof. Dr. Timo Skrandies (Institut für Kunstgeschichte der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) erarbeitet. Skrandies forscht und lehrt seit 2013 zum Verhältnis von Kunst und Anthropozän. Das Ausstellungsprojekt wird während der Vorbereitungs- und Laufzeit von seinem Lehrstuhl begleitet.
Die Beteiligung der Studierenden wird im digitalen Vermittlungsformat sowie in Veranstaltungen zur Ausstellung sichtbar. Am 17. und 31. Januar 2025 laden Skrandies und die Studierenden Besucher*innen in kleinen Gruppen zu verschiedenen Ausstellungsrundgängen ein.
Simon Fujiwara, 1982 in London geboren, wuchs in Japan, Europa und Afrika auf. Er studierte an der University of Cambridge und an der Städelschule in Frankfurt am Main. Fujiwara, der häufig mit anderen Personen kollaboriert, um vermeintlich persönliche Geschichten zu erzählen, hinterfragt in seinem Werk unsere Vorstellung vom zeitgenössischen Individuum, das, selbstbestimmt und einzigartig, die eigene Fiktionalisierung betreibt. Er konfrontiert uns stattdessen mit einer eher instabilen Vorstellung des Selbst, das nur durch die Mitwirkung
anderer definiert werden kann. Zu den jüngsten Einzelausstellungen von Fujiwara gehören: new work, Kunstinstituut Melly, Rotterdam (2021); Who the Bær, Fondazione Prada, Mailand (2021); Hope House, Blaffer Art Museum, Dallas (2020–21); Joanne, Arken, Ishøj (2019); Revolution, Lafayette Anticipations – Fondation d’entreprise Galeries Lafayette, Paris (2018); Joanne, Galerie Wedding, Raum für zeitgenössische Kunst, Berlin (2018); Hope House, Kunsthaus Bregenz (2018), It’s a Small World, Kiasma (2024).
Marina Abramović, Saâdane Afif, Anni Albers, Diane Arbus, Armando, Hans (Jean) Arp, Yto Barrada, Georg Baselitz, Max Beckmann, Rudolf Belling, Julius Bissier, Katinka Bock, Peter August Böckstiegel, Monica Bonvicini, Shannon Bool, Katharina Bosse, Louise Bourgeois, Vera Brüggemann, Peter Brüning, Daniel Buren, Teresa Burga, Michael Buthe, Reg Butler, Heinrich Campendonk, Marc Chagall, Sandro Chia, Salvador Dalí, Willem de Kooning, Robert Delaunay, Sonia Delaunay-Terk, Christa Dichgans, Friedrich Diehl, Otto Dix, Jason Dodge, Marlene Dumas, Herbert Ebersbach, Nicole Eisenman, Max Ernst, Conrad Felixmüller, Peter Fischli und David Weiss, Anne Flore, Lucio Fontana, Wolfgang Fräger, Günter Frecksmeier, Simon Fujiwara, Dani Gal, Peter Gallaus, Henri Gaudier-Brzeska, Otto Gleichmann, Erwin Graumann, Herbert Wilhelm Häfner, Richard Haizmann, Lena Henke, Eduard Herterich, Charline von Heyl, Sheila Hicks, Ludwig Hirschfeld-Mack, David Hockney, Ferdinand Hodler, Gerhard Hoehme, Karl Hofer, Sofia Hultén, Allen Jones, Wassily Kandinsky, Annette Kelm, Anselm Kiefer, Esther Kläs, Jürgen Klauke, Max Klinger, Guitou Knoop, Benita Koch-Otte, Käthe Kollwitz, Wilhelm Laage, Josua Leander Gampp, Fernand Léger, Wilhelm Leibl, August Macke, Goshka Macuga, Franz Marc, Gerhard Marcks, Louis Marcoussis, Agnes Martin, André Masson, Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff, Rita McBride, Hans Meyboden, Karl Heinz Meyer, Christiane Möbus, Otto Modersohn, Paula Modersohn-Becker, László Moholy-Nagy, Henry Moore, Matthias Müller, Gabriele Münter, Louise Nevelson, Olaf Nicolai, Simone Nieweg, Emil Nolde, Adolf Oberländer, Anna Oppermann, Theo Ortmann, A. R. Penck, Pablo Picasso, Werner Pöschel, Charlotte Posenenske, Veronika Radulovic, Arnulf Rainer, Man Ray, Germaine Richier, Gerhard Richter, Christian Rohlfs, Ulrike Rosenbach, Lars Rosenbohm, Georges Rouault, Ulrich Rückriem, Salvo, Karin Sander, Jörg Sasse, Lo Savio, Julia Scher, Oskar Schlemmer, Karl Schmidt-Rottluff, Georg Schrimpf, Katharina Sieverding, Tony Smith, Robert Smithson, Giuseppe Spagnulo, Hermann Stenner, Irma Stern, Hiroshi Sugimoto, Sophie Taeuber-Arp, Rago Torre-Ebeling, Hans Uhlmann, Not Vital, Heinrich Vogeler, James Welling, Erwin Wendt, Stephen Wilks, Fritz Winter
Die von der Kunsthalle Bielefeld und dem Museum Marta Herford gemeinsam entwickelte und an beiden Orten gleichzeitig stattfindende Ausstellung widmet sich der hybriden Malerei und spiegelt damit unsere postdigitale, zwischen dem Digitalen und Analogen verankerte Gegenwart. In dieser groß angelegten Kooperation wird der Fokus auf ein malerisches Denken gerichtet, das sich durch die gleichberechtigte inhaltliche und technische Verschränkung des Hybriden stark erweitert hat.
Die internationalen Künstler*innen befragen das traditionsreiche Medium Malerei dabei grundlegend. Inwiefern nehmen die Veränderungen Einfluss auf Materialitäten, bildmediale Strukturen und Ästhetiken? Wie finden hybride Räume, fluide gewordene Körper und ein Gefühl des Dazwischenseins malerische Entsprechungen?
Die Ausstellung präsentiert über 150 Arbeiten, die Einblicke in das breite Spektrum der postdigitalen Malerei geben. Von frühen computergestützten Arbeiten bis hin zu modernsten Anwendungen künstlicher Intelligenz sind sowohl ortsspezifische Neuproduktionen zu sehen als auch raumgreifende Installationen und Malereien auf Leinwand.
Künstler*innen
Sónia Almeida, Tim Berresheim, Kerstin Brätsch, Salomé Chatriot, Vivian Greven, Wade Guyton, Tishan Hsu, Jacqueline Humphries, Charlotte Johannesson, KAYA, Peter Kogler, Vera Molnar, Mukenge/Schellhammer, Albert Oehlen, Laura Owens, Seth Price, Rafaël Rozendaal, Pieter Schoolwerth, Amy Sillman, Avery Singer, Cheyney Thompson, Philipp Timischl, Andy Warhol, Corinne Wasmuht, Anicka Yi
Eröffnung der Ausstellung mit Sommerfest
Sa, 6.7.24, ab 17:00 feierliche Eröffnung mit Reden im Marta Herford, ab 20:00 mit Musik und Kulinarik in der Kunsthalle Bielefeld und im Skulpturenpark
7.7.-10.11.24
7.7.-10.11.24
23.3.-16.6.24

Die Kunsthalle Bielefeld zeigt vom 23. März bis 16. Juni 2024 die Arbeiten zweier Künstlerinnen, die das gesellschaftspolitische Geschehen ihrer jeweiligen Zeit kritisch reflektieren und durch ihre Werke „Stellung beziehen“.
In der Ausstellung begegnen sich mit Käthe Kollwitz (1867–1945) und Mona Hatoum (*1952, lebt in London), zwei Künstlerinnen – eine historische und eine zeitgenössische Position –, die mit ihrer Kunst ein Mahnmal gegen Leid und Unterdrückung und für mehr Menschlichkeit setzen. Die Kunsthalle präsentiert rund 80 Zeichnungen, Druckgrafiken und Plastiken von Kollwitz, die mit fünf großformatigen Skulpturen und Installationen Hatoums in einen Dialog gesetzt werden.
„Ich will wirken in dieser Zeit“ gehört zu den bekanntesten Aussprüchen von Käthe Kollwitz, der wohl berühmtesten deutschen Künstlerin des 20. Jahrhunderts, die ihre künstlerische Praxis stets mit einem sozialpolitischen, humanitären und pazifistischen Engagement verbunden hat. Sie ist bekannt für ihre Parteinahme für den durch Armut und Krieg bedrängten Menschen am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Mit Empathie nahm sie sich der menschlichen Schicksale angesichts von Industrialisierung, Landflucht und Arbeitslosigkeit an.
Kollwitz‘ Erfahrung zweier Weltkriege und deren Folgen, darunter der Verlust des eigenen Sohnes, der 1914 fiel, spiegeln sich zudem in ihrem Werk. Dabei wählte sie Druckgrafik und Zeichnung als ihre wesentlichen Medien und fand darin zu einer eigenständigen Bildsprache von großer Ernsthaftigkeit und Eindringlichkeit.
Bis heute haben ihre Arbeiten nicht an Aktualität und Relevanz verloren, wie etwa das prominente Plakat „Nie wieder Krieg“ (1924) für die „Sozialistische Arbeiterjugend“ in Leipzig zeigt.
Es bleibt bis heute das wohl bekannteste deutsche Anti-Kriegsplakat.
Die Kunsthalle Bielefeld besitzt eine umfangreiche Sammlung von Käthe Kollwitz. Sie ist eine der ersten künstlerischen Positionen, von der Arbeiten für die Sammlung des Museums angekauft wurden. Ausgehend von diesem Bestand an wichtigen Werken, präsentiert die Ausstellung eindrucksvolle Leihgaben aus dem Käthe Kollwitz Museum Köln sowie aus weiteren Museen und Privatsammlungen in Deutschland und der Schweiz.
Insgesamt fünf Arbeiten der in Beirut geborenen, britisch-palästinensischen Künstlerin Mona Hatoum (*1952, lebt in London) erweitern die Ausstellung um eine zeitgenössische Perspektive. Hatoum, die sich 1975 für einen kurzen Besuch in London aufhielt und durch den Ausbruch des Bürgerkriegs im Libanon daran gehindert wurde, in ihre Heimat zurückzukehren, zählt zu den einflussreichsten Künstler*innen ihrer Generation. Ähnlich wie Kollwitz thematisiert die Künstlerin und Trägerin des Käthe-Kollwitz-Preises von 2010 in ihrem Werk menschliche Grunderfahrungen.
Zentral in ihren Arbeiten sind die Themen Exil und Vertreibung, genauso wie das Vertraute und Häusliche, das durch institutionelle Gewalt und Machtsysteme entfremdet, bedroht oder zerstört wird Hatoum artikuliert diese Themen durch eine klare, minimalistische Formensprache. In ihren großformatigen Installationen verwendet sie oft einfache geometrische Formen, die Ordnung und Stabilität suggerieren und gleichzeitig das Potential eines plötzlichen Zusammenbruchs in sich tragen.
Während Kollwitz auf der figürlichen Ebene stets dem äußeren Erscheinungsbild des Menschen treu bleibt, ist in Hatoums Arbeiten der Mensch ebenfalls präsent. Das verdeutlicht auch ihre Arbeit „Cellules“, bestehend aus acht stählernen Käfigen unterschiedlicher Größe, die jeweils auf die menschliche Durchschnittsgröße zugeschnitten sind. Im Inneren jedes Stangengeflechts befindet sich ein zerbrechliches und amorphes mundgeblasenes rotes Glasobjekt, das wie ein fremdes Wesen oder ein unspezifisches Körperteil in seinem eigenen anthropomorphen Käfig gefangen ist. „Cellules“ bedeutet im Französischen „körperliche Zelle“, kann jedoch im übertragenen Sinne auch auf eine Arrestzelle hinweisen.
Beide Künstlerinnen arbeiten mit einer auf das Wesentliche reduzierten Formsprache und einen minimalistischen Einsatz von Farbe. Wenngleich sich beide mit ernsten Themen befassen, sind ihre Arbeiten kein Ausdruck von Resignation. Mit ihrer jeweiligen aktiven Mahnung gegen Leid und Unterdrückung zeugen sie, im Gegenteil, von positivem Engagement.
Eine Ausstellung in Kooperation mit dem Kunsthaus Zürich, in Zusammenarbeit mit dem Käthe Kollwitz Museum Köln.
Kuratorinnen
Dr. Henrike Mund, Christina Végh
Einladung zur Eröffnung
Wir laden Sie herzlich zur Eröffnung am Freitag, den 22.3.24 um 18.30 Uhr ein mit Reden von Dr. Dagmar Nowitzki, Vorstand Kulturstiftung Pro Bielefeld, Konrad Delius, Vorstand Förderkreis Kunsthalle Bielefeld, Christina Végh, Direktorin, Kunsthalle Bielefeld, und Dr. Henrike Mund,
Kuratorin und Sammlungsleiterin, Kunsthalle Bielefeld
Ausstellungskatalog
Zur Ausstellung erscheint ein deutsch/englischer Katalog im Hirmer Verlag. Mit Beiträgen von Jonas Beyer, Jacqueline Burckhardt, Hannelore Fischer, Françoise Forster-Hahn, Natascha Kirchner und Henrike Mund.
Preis: 45 Euro
2.12.23-3.3.24

Mit der Ausstellung „Aktion, Geste, Farbe: Künstlerinnen und Abstraktion weltweit 1940–1970″ würdigt die Kunsthalle Bielefeld vom 2. Dezember 2023 bis 3. März 2024 eine außergewöhnliche Generation von Künstlerinnen. Als erste Ausstellung dieser Art in Europa versammelt sie mehr als 100 Gemälde von über 70 internationalen, heute oft wenig bekannten Künstlerinnen, die Mitte des 20. Jahrhunderts die gestische, abstrakte Malerei mit geprägt und definiert haben.
Die gestische Malerei, in Europa als „Informel“ bezeichnet, in den Vereinigten Staaten unter dem Begriff des „abstrakten Expressionismus“ gefasst, meint eine Kunstrichtung, die bisher mit einer Reihe großer Künstler in den Metropolen wie New York und Paris assoziiert wird. Die Ausstellung verfolgt das Ziel, dieses kunsthistorische Verständnis aufzubrechen und um eine internationale und feministische Perspektive zu erweitern.
Zu sehen sind sowohl die Arbeiten bekannter Künstlerinnen, darunter etwa die Amerikanerinnen Lee Krasner (1908-1984) und Helen Frankenthaler (1928-2011), die österreichische Künstlerin Maria Lassnig oder die Portugiesin Maria Helena Vieria da Silva, als auch bislang unbekanntere Positionen wie die mosambikanisch-italienische Künstlerin Bertina Lopes (1924-2012) oder die südkoreanische Künstlerin Wook-kyung Choi (1940-1985). Die Kunsthalle Bielefeld richtet den Blick zudem auf deutsche Künstlerinnen aus dem Umfeld des Informel, darunter Sigrid Kopfermann (1923-2011), Sarah Schumann (1933-2019) oder die in Detmold geborene Hedwig Thun (1892-1969), der die Kunsthalle bereits 1969 eine Einzelausstellung widmete.
In einer Zeit, in der die Welt die Ängste des Zweiten Weltkriegs verarbeitete und sich vor dem Hintergrund eines zutiefst konfliktreichen politischen und sozialen Klimas bewegte, lösten sich Künstler*innen auf der ganzen Welt von der figurativen Malerei und suchten nach einer neuen Art künstlerischen Ausdrucks. Die gestische Abstraktion galt insbesondere im Westen als Kunst, die die Ideale einer freien demokratischen Welt verkörperte. Abstraktion etablierte sich so als Ausdruck von persönlicher und politischer Befreiung, und galt als Wegweiser des Aufbruchs in eine freiere und gerechtere Welt.
In Anlehnung an die Avantgarde-Bewegungen des Expressionismus und des Surrealismus haben jene Künstler*innen die Art und Weise, wie sie Kunst schaffen, auf revolutionäre Weise verändert. Sie betrachteten den kreativen Prozess als etwas, das weit über das bloße Erschaffen von Kunstwerken hinausgeht: Farbe wird als Material in ihrer Beschaffenheit und der Art und Weise wie sie überhaupt auf die Leinwand aufgetragen wird zum eigentlichen Gegenstand. Gemälde werden nicht mehr als Bilder betrachtet, sondern als Ereignisse.
Die Geste verbindet in der Malerei des abstrakten Expressionismus/Informel den Körper und das Werk unmittelbar miteinander. Eine Nähe zu Tanz und Performance als Bereichen, in denen Frauen früh als Vorbilder aktiv waren, bestand von Beginn an. So waren zahlreiche Künstler*innen selbst Aktivistinnen, Tänzerinnen und Performerinnen oder durch diese inspiriert. Dieser wechselseitige Zusammenhang wird in der Ausstellung durch ausgewählte Videoarbeiten deutlich. Zusammen finden all diese Werke nun in der Kunsthalle Bielefeld an einem Ort, der auch einen historisch passenden architektonischen Rahmen bietet: „Die Kunsthalle Bielefeld, die im Jahr 1968 entworfen und erbaut wurde, in derselben Zeit also, in der die meisten Werke der Ausstellung geschaffen wurden, steht für einen ähnlichen Paradigmenwechsel“, betont Christina Végh, Direktorin und Co-Kuratorin, Kunsthalle Bielefeld. „Der offene Grundriss des Gebäudes, der Besucher*innen keine Richtung vorgibt, weist Parallelen auf zur gestischen Abstraktion, die den Blick der Betrachtenden nicht zu lenken versucht. Selten gibt es die Möglichkeit, Architektur und Kunst in einer so engen Verschmelzung miteinander zu erleben.“ Die Ausstellung entsteht in Kooperation mit der Whitechapel Gallery, London und der Fondation Vincent van Gogh Arles.
Kuratorinnen
Laura Rehme, Christina Végh
Diese Wanderausstellung ist eine Initiative der Whitechapel Gallery in London von Iwona Blazwick und Laura Smith. Sie wurde von einem kuratorischen Beirat gestaltet, zu dem Iwona Blazwick, Margaux Bonopera, Bice Curiger, Christian Levett, Erin Li, Julia Marchand, Joan Marter, Laura Rehme, Agustin Perez Rubio, Elizabeth Smith, Laura Smith, Candy Stobbs und Christina Végh gehören.
Ausstellungskatalog
Zur Ausstellung erscheint ein deutsch/englischer Katalog, der über 80 abstrakte Künstlerinnen vorstellt, darunter die amerikanischen Künstlerinnen Lee Krasner (1908-1984) und Helen Frankenthaler (1928-2011) sowie weniger bekannte Persönlichkeiten wie die mosambikanisch-italienische Künstlerin Bertina Lopes (1924-2012) und die südkoreanische Künstlerin Wook-kyung Choi (1940-1985). Mit Beiträgen von Griselda Pollock, Elizabeth A. T. Smith, Iwona Blazwick, Christina Végh, Laura Rehme u.a..
Preis: 50 Euro
Förderer
Die Ausstellung wird gefördert durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und die Stiftung Dr. Dagmar Nowitzki für Kunst und Kultur.
Mary Abbott, Etel Adnan, Maliheh Afnan, Ruth Armer, Gillian Ayres, Ida Barbarigo, Noemí Di Benedetto, Anna-Eva Bergman, Janice Biala, Bernice Bing, Sandra Blow, Dusti Bongé, Chinyee, Wook-kyung Choi, Jay DeFeo, Martha Edelheit, Amaranth Ehrenhalt, Asma Fayoumi, Lilly Fenichel, Perle Fine, Else Fischer-Hansen, Audrey Flack, Elna Fonnesbech-Sandberg, Juana Francés, Helen Frankenthaler, Sonia Gechtoff, Judith Godwin, Gloria Gómez-Sánchez, Elsa Gramcko, Sarah Grilo, Grace Hartigan, Lilian Holt, Buffie Johnson, Yuki Katsura, Helen Khal, Elaine de Kooning, Sigrid Kopfermann, Lee Krasner, Maria Lassnig, Bice Lazzari, Lifang, Bertina Lopes, Margaret Mellis, Marta Minujín, Joan Mitchell, Aiko Miyawaki, Yolanda Mohalyi, Nasreen Mohamedi, Emiko Nakano, Lea Nikel, Tomie Ohtake, Fayga Ostrower, Mercedes Pardo, Charlotte Park, Betty Parsons, Pat Passlof, Alice Rahon, Carol Rama, Marie Raymond, Judit Reigl, Deborah Remington, Britta Ringvall, Marie-Louise von Rogister, Erna Rosenstein, Behjat Sadr, Nadia Saikali, Zilia Sánchez, Fanny Sanín, Miriam Schapiro, Sarah Schumann, Ethel Schwabacher, Sonja Sekula, Toko Shinoda, Sylvia Snowden, Janet Sobel, Vivian Springford, Franciszka Themerson, Alma Thomas, Yvonne Thomas, Hedwig Thun, Nína Tryggvadóttir, Elsa Vaudrey, Maria Helena Vieira da Silva u.a.
2.12.23-3.3.24

Die Kunsthalle Bielefeld präsentiert vom 2. Dezember 2023 bis 3. März 2024 die Ausstellung „Keren Cytter. Hot Lava Night“.
Die israelische Künstlerin Keren Cytter (*1977 in Tel Aviv) erzählt Geschichten – absurde, witzige und meist abgründige. Ihr multidisziplinäres Werk umfasst Filme, Zeichnungen, Theaterstücke, Skulpturen, Romane, Lebensratgeber und Kinderbücher. Nicht die Sprache allein, sondern im Besonderen die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Formen des Erzählens sind kennzeichnend für Cytters Werk.
Die Ausstellung präsentiert über zwanzig Zeichnungen und zwei neue Videoarbeiten der Künstlerin, die in der Kunsthalle Bielefeld erstmalig gezeigt werden. Darunter der titelgebende Kurzfilm „Hot Lava Night“. In Radiomeldungen werden hier die Ausmaße einer fiktiven katastrophalen Flut geschildert, die eine globale Krise von ungeahntem Ausmaß nach sich zieht. Während die Fähigkeit der Menschen zu Mitgefühl und Einigkeit deutlich wird, zeigt der Film das Aufblühen einer jungen Romanze, die in New York beginnt und an einem Zufluchtsort an der Küste endet. Ein Ort, wo keine Zeichen der Verwüstung zu erkennen sind und die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verschwimmen.
In ihrem ca. 90-minütigen Film „White Elephant“ verfolgt Cytter die Beziehungen zwischen einer Frau und einer Drohne, einem Sexsüchtigen, einem verwirrten Schauspieler und einer Nachbarin, die um ihren toten Vater trauert. Die Protagonist*innen sind über verschiedene Kontexte und Konstellationen miteinander verbunden. Cytter inszeniert ein komplexes Geflecht zwischenmenschlicher Beziehungen zwischen Verlust, Liebe, Trauer, Wertvorstellungen sowie Abhängigkeiten und Sehnsüchten.
Auch die Zeichnungen der Künstlerin kreisen um soziale Entfremdung, Funktion und Darstellung von Sprache sowie der Bedeutung des Individuums in der Gesellschaft. Neben eigenständigen Papierarbeiten zeigt die Kunsthalle Bielefeld Cytters künstlerisch gestaltete Skriptauszüge und Storyboards zu ihren Filmen sowie Zeichnungen, die in „White Elephant“ auftauchen.
Der Film „White Elephant“ wird während der Ausstellungslaufzeit jeden Mittwoch um 19 Uhr gezeigt (außer am 24. Januar und 28. Februar 2024) und jeweils samstags und sonntags um 16 Uhr (außer am 13. Januar und 17. Februar 2024).
Kurator
Benedikt Fahrnschon
Keren Cytter studierte Bildende Kunst am Avni Institute of Art and Design, Tel Aviv, und war von 2002-2004 Stipendiatin bei De Ateliers, Amsterdam. Ihre Arbeiten wurden in Einzelausstellungen in international renommierten Institutionen gezeigt, wie dem Kunstmuseum Winterthur (2020), dem Center for Contemporary Art, Tel Aviv (2019), dem Museion Bolzano (2019), dem Museum of Contemporary Art, Chicago (2015), der Kunsthal Charlottenborg, Kopenhagen (2014), der Tate Modern, London (2012) und dem Stedelijk Museum Amsterdam (2011).
Sie nahm an zahlreichen Gruppenausstellungen und Biennalen teil, darunter Museum Angewandte Kunst, Frankfurt (2017); Museum Brandhorst, München (2015); Kunsthalle Wien (2015); Moscow Museum of Modern Art (2011); Solomon R. Guggenheim Museum, New York (2011); Witte de With, Rotterdam (2010); Van Abbemuseum, Eindhoven (2010); 8. Gwangju Biennale (2010); Whitney Museum, New York (2009); 53. Internationale Kunstausstellung, La Biennale di Venezia, (2009). Ihre Filme wurden auf zahlreichen Filmfestivals gezeigt, darunter Bolzano Film Festival (2019); European Media Arts Festival, Osnabrück (2018); Bergamo Film Festival (2016); Berlin International Film Festival, Forum Expanded (2008). Cytter wurde mit dem Joseph Guggenheim Memorial Foundation Fellowship (2021), Absolut Art Award, Stockholm (2009), Ars Viva Preis, Kulturkreis der Deutschen Wirtschaft, Berlin (2008) ausgezeichnet.
2.12.23-3.3.24

Die Kunsthalle Bielefeld präsentiert vom 2. Dezember 2023 bis 3. März 2024 die neunte Edition der Ausstellungsreihe „miteinander gegenüber“. In der Reihe trifft ein Werk der Sammlung der Kunsthalle Bielefeld auf eine ausgewählte externe Arbeit aus einer anderen Institution. Diese Begegnung führt zu neuen, oft überraschenden Sichtweisen und lädt zum vergleichenden Sehen ein.
Unter dem Titel „(Un)Schuldiges Spiel?“ begegnen sich dieses Mal eine großformatige Fotografie aus der Serie „PROPO“ (1994) des US-amerikanischen Künstlers Paul McCarthy (*1945) aus der ahlers collection und das Gemälde „Spielzeugstilleben (New York)“ (1969) der deutschen Künstlerin Christa Dichgans (1940-2018) aus dem Bestand der Kunsthalle Bielefeld.
Dichgans‘ Gemälde zeigt eine chaotische Anhäufung gebrauchter Spielwaren und thematisiert damit die Massengesellschaft, den Massenkonsum und auch den Massengeschmack. Scheinbar achtlos angehäufte Spielzeugberge sind ein wiederkehrendes Motiv im Werk der Künstlerin, die zu den wichtigsten weiblichen Akteuren der Pop Art zählt und insbesondere für ihr Frühwerk aus den 1960er Jahren bekannt ist. Ihre Kompositionen können als Protest gegen Materialismus, Konsum und Übermaß bei gleichzeitiger Bedürftigkeit gelesen werden.
Auch auf McCarthys Fotografie ist eine überlebensgroße Spielzeugpuppe zu sehen. Die irritierende Darstellung zeigt eine malträtierte Puppe mit schwarzer Hautfarbe, die ein rassifizierendes Zeichen des Anti-Schwarzen-Rassismus ist, deren Repräsentation zugleich stereotype Vorstellungen aktualisiert. Zwischen 1972 und 1983 führte McCarthy zahlreiche bewusst verstörende Performances auf, mit denen er die moralischen Grenzen des Publikums auslotet und gesellschaftliche Missstände anprangert. Neben Puppen nutzte er dabei viele bizarre Requisiten, die in Koffern und Kisten aufbewahrt wurden, um bei künftigen Performances verwendet zu werden. In den 90er Jahren öffnete McCarthy die Koffer und Kisten schließlich wieder und fotografierte jedes Objekt. Diese überlebensgroße fotografische Serie trägt den Titel „PROPO“. Die Fotografie der Puppe mit schwarzer Hautfarbe und abgetrennten Beinen ist Teil dieser Serie.
Sowohl Dichgans‘ Gemälde als auch McCarthys Fotografie können als Spiegel der Gesellschaft verstanden werden und werfen Fragen auf: Womit spielen Kinder? Welche Werte werden mit dem Spielzeug vermittelt? Welche Auswirkungen hat das – und was sagt das über unsere Gesellschaft aus?
Kooperation
„miteinander gegenüber #8“ entsteht in Kooperation mit der Stiftung Ahlers Pro Arte.
„miteinander gegenüber“ entsteht in Kooperation mit dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereich (SFB) 1288 „Praktiken des Vergleichens. Die Welt ordnen und verändern“ der Universität Bielefeld.
Kurator
Benedikt Fahrnschon
Über Paul McCarthy
Paul McCarthy (*1945 in Salt Lake City, USA) entwickelte zunächst eine facettenreiche künstlerische Praxis, mit der er die Grenzen der Malerei durch die Verwendung unorthodoxer Materialien wie Körperflüssigkeiten und Lebensmittel zu sprengen suchte. Seitdem ist er für seine viszeralen Arbeiten in einer Vielzahl von Medien bekannt geworden – von Performance, Fotografie, Film und Video bis hin zu Skulptur, Zeichnung und Malerei. McCarthy erwarb 1969 einen BFA in Malerei am San Francisco Art Institute und 1973 einen MFA in Multimedia, Film und Kunst an der USC. 18 Jahre lang unterrichtete er Performance, Video, Installation und Kunstgeschichte am New Genres Department der University of California.
Über Christa Dichgans
Christa Dichgans (1940–2018, jeweils in Berlin) studierte von 1960 bis 1965 an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin in der Klasse von Fred Thieler. 1966 erhielt sie ein Stipendium des DAAD und lebte gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann, dem Künstler K.H. Hödicke, für ein Jahr in New York. 1967 zeigte sie ihre erste Einzelausstellung in der Galerie Lempertz Contempora in Köln. Zwei Jahre später lernte sie den Galeristen und ihren zweiten Ehemann Rudolf Springer kennen, von dem sie ab 1971 vertreten wird. Sie entwickelte in dieser Zeit eine eigene Variante der Pop Art mit surrealen Anklängen. Aus finanziellen Gründen kaufte Dichgans bei der Heilsarmee gebrauchte Haushaltsutensilien und auch Spielzeug für ihren Sohn. Der Eindruck der Berge von wie achtlos weggeschmissenem Spielzeug führt zu zahlreichen Werken, in denen sie Kritik an Konsum und oberflächlichem Lebensstil übt.