Katrin Mayer / Christo

Verhüllen oder Entfalten. miteinander gegenüber #8

Die Kuratorin Laura Rehme über das Zusammenspiel der Werke. Film von Roman Schauerte

In der Reihe „miteinander gegenüber“ trifft ein Werk der Sammlung der Kunsthalle Bielefeld auf eine ausgewählte Leihgabe aus einer anderen Institution. Diese Begegnung führt zu neuen, oft überraschenden Sichtweisen. In der achten Folge der Ausstellungsreihe begegnen sich „Package“ (1963) von Christo aus der ahlers collection und „Screens“ (2014) von Katrin Mayer aus dem Bestand der Kunsthalle.

Ein verbindendes Element beider Arbeiten ist der Einsatz von Textilien, die auf etwas darunter Liegendes verweisen. Das Verhüllen hat eine lange kunsthistorische Bildtradition. Während bei Christos „Package“ (1963) ein verschnürtes Leinenbündel in einem verzierten Rahmen zum Kunstwerk wird und den Bildraum sprengt, schieben sich Katrin Mayers „Screens“ (2014) als Leinenstoffe vielschichtig vor die Architektur der Kunsthalle und thematisieren die Geschichte der textilen Wandpaneele des Museums. Beide Künstler*innen spielen mit den Erwartungen der Betrachtenden und machen deren Rolle für die Deutung von Kunstwerken ersichtlich: Was zeigen uns die Textilien? Halten sie etwas verborgen oder eröffnen sie neue Blickweisen?

Die Universität Bielefeld beschreibt das Projekt in ihrem Uni-Aktuell-Blog auch näher.

Ein brauner Klumpen Stoff, eingewickelt mit Bindfaden, ist in einem alten Bilderrahmen montiert. Der Hintergrund ist golden, der breite Rand blau und gold, mit feinem Muster. Als Schutz des Werks dient eine Plexiglashaube. Auf beiden Seiten hängen weiße Stoffbahnen von der Decke.
Kunsthalle Bielefeld Installationsansicht, Foto: Philipp Ottendörfer


In der Reihe „miteinander gegenüber“ trifft ein Werk der Sammlung der Kunsthalle Bielefeld auf eine ausgewählte Leihgabe aus einer anderen Institution. Diese Begegnung führt zu neuen, oft überraschenden Sichtweisen. In der achten Folge der Ausstellungsreihe begegnen sich „Package“ (1963) von Christo aus der ahlers collection und „Screens“ (2014) von Katrin Mayer aus dem Bestand der Kunsthalle. Ein verbindendes Element beider Arbeiten ist der Einsatz von Textilien, die auf etwas darunter Liegendes verweisen. Beide Künstler*innen spielen mit den Erwartungen der Betrachtenden und machen deren Rolle für die Deutung von Kunstwerken ersichtlich: Was zeigen uns die Textilien? Halten sie etwas verborgen oder eröffnen sie neue Blickweisen?

Das Verhüllen hat eine lange kunsthistorische Tradition. Indem Bildelemente gezeigt oder verschleiert werden, werden die Betrachtenden unmittelbar in den Deutungsprozess des Werkes einbezogen. Sie können ihre Fantasie nutzen, um zu ergründen, was vor ihren Blicken ganz oder teilweise verborgen bleibt. Oft sind es Stoffe oder Textilien, denen die Funktion des „Verbergens“ zukommt (z.B. La rue Ferou, Man Ray). Christo greift in seinen installativen Arbeiten immer wieder auf dieses spielerische und aktivierende Mittel zurück. Bekannt wurde er vor allem mit seinen Verhüllungskationen von Gebäuden im öffentlichen Raum, die er gemeinsam mit seiner Frau, der Künstlerin Jeanne-Claude, umsetzte. Vielleicht kennen Sie die Fotos vom 1995 verhüllten Reichstag? Christos „Package“ (1963) ist eine für den Künstler ungewöhnlich kleine Arbeit: ein verschnürtes Leinenbündel in einem verzierten Rahmen. Das Bündel wird durch diesen Rahmen zum Kunstwerk und definiert zugleich den Bildraum neu, indem es sich dreidimensional in den Ausstellungsraum erstreckt. Was befindet sich in dem Stoff? Warum ist es verschnürt? Was sollen wir sehen oder nicht sehen?

Katrin Mayers „Screens“ schieben sich als Leinengewebe vielschichtig vor die Architektur der Kunsthalle. Sie verbergen im Raum zugleich Wand- und Fensterflächen und verstellen die unmittelbare Sicht auf Christos „Package“. Doch anders als bei Christo geht es Mayer nicht um das Verbergen, sondern vielmehr um das Offenlegen eines vielschichtigen Bezugsrahmens: Anhand der „Screens“ entfaltet die Künstlerin die Geschichte der textilen Wandpaneele des Museums. Wo sich heute die weißen Rigipsplatten vor den Sandsteinwänden befinden, waren ursprünglich textile Wandbespannungen aus Bielefelder Leinenstoffen angebracht – nicht zuletzt ein Verweis auf die Vergangenheit Bielefelds als bedeutendem Standort der Textilproduktion. Die Inspiration zu diesen textilen Wandbehängen soll Philipp Johnson, der Architekt der Kunsthalle, durch Arbeiten der Künstlerin Anni Albers erhalten haben, Weberin am Bauhaus und spätere Leiterin der Webereiklasse am Black Mountain College. Albers wiederum verstand Textilien in Anlehnung an japanische Architektur unter anderem als flexible Architekturelemente. Und als solche werden auch die Screens von Mayer eingesetzt. Jeder der von Mayer ausgewählten Leinenstoffe entspricht in seiner Größe einer der Wandflächen im Gebäude, auf deren Position mit einem Label verwiesen wird. Ihre Ausrichtung im Raum folgt den Wandpaneelen, auf die sie sich beziehen. Sie werden zu flexiblen Wandelementen, Raumtrennern, und Projektionsflächen (engl. „screens“) für Kunst oder Gedanken. Die zahlreichen Referenzen und Quellen zu den „Screens“ legt Mayer in einem beidseitig bedruckten Plakat offen, das für die Besucher*innen zum Mitnehmen ausliegt.

Schauen Sie sich beide Kunstwerke einmal näher an. Was ist ähnlich, was ist unterschiedlich? Wie gehen beide Künstler*innen mit dem (architektonischen) Raum um? Welche Materialien nutzen sie? Welches Werk macht sie neugieriger? Warum? Welches lässt sich leichter erschließen? Welches verbirgt etwas, welches legt etwas offen?

Vergleichen ist immer subjektiv – Sie als Besucher*in sind ein wesentlicher Teil beider Werke und ihrer Bedeutung. Was interessiert Sie und was finden Sie weniger spannend? Was denken Sie zu beiden Arbeiten, was sollte hier verglichen werden?

Die Ausstellung entsteht in Kooperation mit der Stiftung Ahlers Pro Arte.

Die Ausstellungsreihe entsteht in Zusammenarbeit mit dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereich (SFB) 1288 «Praktiken des Vergleichens. Die Welt ordnen und verändern» der Universität Bielefeld.

miteinander
gegenüber

Die Reihe „miteinander gegenüber“ richtet den Fokus auf ein Werk aus der Sammlung der Kunsthalle Bielefeld, das in der Gegenüberstellung mit einer ausgewählten externen Arbeit zentrale Fragestellungen aufgreift. Im Zentrum steht immer ein konzentrierter Vergleich der ausgewählten Arbeiten. Im Jahr 2023 Jahr kooperiert die Kunsthalle mit der Herforder Stiftung Ahlers Pro Arte, die für alle drei Interventionen die externen Kunstwerke als Leihgaben stellt. In den drei Gegenüberstellungen zeigen wir u.a. Arbeiten von Alberto Giacometti, Christo, Paul McCarthy und Katrin Mayer.

Gallerie

Ein brauner Klumpen Stoff, eingewickelt mit Bindfaden, ist in einem alten Bilderrahmen montiert. Der Hintergrund ist golden, der breite Rand blau und gold, mit feinem Muster. Als Schutz des Werks dient eine Plexiglashaube. Auf beiden Seiten hängen weiße Stoffbahnen von der Decke.
Kunsthalle Bielefeld Installationsansicht, Foto: Philipp Ottendörfer
Zwei weiße gesäumte Leinenstoffe hängen von der Decke, in ihrer unteren rechten Ecke ist ein Label angebracht, dass den Grundriss der Kunsthalle Bielefeld zeigt. Licht scheint durch sie hindurch und zeigt, dass sie unterschiedlich dicht gewebt sind.
Kunsthalle Bielefeld Installationsansicht, Foto: Philipp Ottendörfer
Ein brauner Klumpen Stoff, eingewickelt mit Bindfaden, ist in einem alten Bilderrahmen montiert. Der Hintergrund ist golden, der breite Rand des Rahmens ist blau und gold, mit feinem Muster.
Kunsthalle Bielefeld Installationsansicht, Foto: Philipp Ottendörfer
Zwei Stoffproben mit Grundrissen der Museumsräume der Kunsthalle.
Katrin Mayer, Screens (Detail), 2014, Installationsansicht Kunsthalle Bielefeld