Geschlecht – Herrschaft – Visualität
Pierre Bourdieus soziologischer Blick

Die Ausstellung zeigt thematisch ausgewählte Fotografien aus dem Nachlass des französischen Soziologen Pierre Bourdieu, die nach seiner Aussage seine wichtigsten theoretischen Konzepte visualisierten. Bourdieu gehört zu den prägenden Stimmen der internationalen Soziologie des 20. Jahrhunderts. Seine Hauptwerke, wie Die feinen Unterschiede (1979) oder Das Elend der Welt (1997), werden breit rezipiert. Weniger bekannt sind hingegen Bourdieus frühe ethnographische Forschungen in Algerien zwischen 1957 und 1961, die während des algerischen Unabhängigkeitskriegs (1954–1962) unter der französischen Kolonialherrschaft entstanden. Hier begleitet ihn seine Kamera und der Blick durch den Sucher bei vielfältigen empirischen Studien auf Schritt und Tritt.
In hunderten fotografischen Aufnahmen sicherte er die Spuren einer durch koloniale Gewalt zerstörten traditionellen Lebensform und die Folgen der Entwurzelung durch brutale Zwangsumsiedlung breiter Bevölkerungsgruppen. Bourdieus soziologischer Blick richtete sich besonders darauf, wie sich geschlechtsspezifische Alltagspraxen und Rollenbilder in verschiedenen sozialen Kontexten zeigen – etwa bei der Arbeit oder in sozialen Tätigkeiten im privaten und öffentlichen Raum. Diese frühen Beobachtungen von körperlichen und sozialen Verhaltensweisen wurden später zu einer wichtigen Inspirationsquelle für seine Habitus-Theorie und die Studie Die männliche Herrschaft. Die Ausstellung arbeitet daher mit einer systematischen Kombination von Bild und Text, um diesen Zusammenhang deutlich sichtbar zu machen.
Ergänzt wird die Ausstellung durch die 2024 für das Centre Pompidou, Paris entstandene Videoarbeit der französisch-algerischen Künstlerin Katia Kameli (*1973). Der Film entstand anlässlich der dortigen Präsentation der Algerienbilder Pierre Bourdieus und erweitert diese um eine zeitgenössische filmische Reflexion. In ihrer dokumentarischen Arbeit „L’Enquête Bourdieu. Le Ricochet des Images“ („The Bourdieu Investigation. The Ricochet of Images“, OmU Englisch) folgt Kameli den Spuren Bourdieus in Algerien und eröffnet der Ausstellung eine neue, audiovisuelle Perspektive auf sein fotografisches und soziologisches Werk.
Am 19. und 20. November finden in der Kunsthalle Bielefeld die ersten Bourdieu- Lectures der Universität Bielefeld statt. Sie bilden eine jährlich stattfindende Symposiumsreihe, die in enger Zusammenarbeit mit der Universität Bielefeld, der Zeppelin Universität (Friedrichshafen), der Pädagogischen Hochschule Freiburg und der Fondation Pierre Bourdieu organisiert und ausgerichtet wird.
Details und Anmeldung finden Sie auf der Website der Fondation Bourdieu.
Mehr Informationen zu Leben und Werk von Pierre Bourdieu auf der Seite der Fondation Bourdieu.