Kontext: Bauhaus

Blick in die Sammlung #9

Ausgehend von der Ausstellung „Play Life Illusion. Xanti Schawinsky“ zeigt die Sammlungsausstellung Werke von Künstlern, in deren Umfeld sich Schawinsky während seiner Zeit am Bauhaus und am Black Mountain College in Amerika bewegte. Darüber hinaus sind auch Arbeiten zu sehen, die sich auf Werke und Konzepte von ausgewählten Bauhauskünstler*innen beziehen und ihr Nachwirken bis heute veranschaulichen.

Das Bauhaus, jene renommierte deutsche Kunstschule, die von 1919 bis 1933 existierte, gilt bis heute als Experimentierstätte, die unterschiedliche Medien und Kunstformen miteinander verband. Zentrale Überlegungen der Bauhäusler*innen kreisten dabei um das künstlerische Zusammenspiel von Licht, Form, Farbe, Raum und Bewegung.

Mit Arbeiten von Josef Albers, Walter Dexel, Gottfried Jäger, Kurt Kranz, László Moholy-Nagy, Oskar Schlemmer und Interviews mit Zeitzeug*innen Xanti Schawinskys

Medienguide


Weitere Informationen zu diesem Werk von Oskar Schlemmer kannst du dir in unserem KB Kosmos ansehen.

 

Transkript des Audios

Was hast du gesehen, als du diesen Raum betreten hast? Eine Zeichnung? Eine Skulptur?
Oskar Schlemmers „Drahtfigur Homo mit Rückenfigur auf der Hand“ (1930/31) präsentiert sich wie eine dreidimensionale Linie im Raum.

Schlemmer, der visionäre Leiter der Bauhaus-Bühne, erschuf diese „Metallkomposition“ aus Drähten unterschiedlicher Stärke. Was aus der Ferne vielleicht mehr wie eine Zeichnung wirkt, offenbart sich bei näherem Betrachten als dreidimensionale Raumzeichnung. Die Drahtfigur schwebt ein paar Zentimeter vor der Wand und erzeugt durch ihre Schatten ein lebendiges Wechselspiel zwischen Fläche und Raum.

In seiner Suche nach einer „Kunstfigur“, die Mensch und Technik versöhnt, stand Oskar Schlemmer nicht allein. Sein Mitstreiter an der Bauhaus-Bühne Xanti Schawinsky entwickelte parallel ähnliche Ideen. Als Schlemmer 1925 seinen wegweisenden Aufsatz „Mensch und Kunstfigur“ veröffentlichte, experimentierte Schawinsky bereits mit seinem „Spectodrama“, einer Theaterform, die „Farbe und Form, Bewegung und Licht, Klang und Wort“ vereinte.

Beide Künstler suchten in einer zunehmend technologisierten Welt nach einer neuen Körper-Bild-Sprache. Während Schlemmer seine Figur in Draht formte, ließ Schawinsky sie als „Steppmaschine“ in improvisierten Theaterstücken lebendig werden – ein Dialog zwischen Mensch und Maschine.

 

Text: Matthias Albrecht
Eingesprochen von: Nadine Kleinken
Aufnahme und Schnitt: Matthias Albrecht, Nadine Kleinken (Digitale Museumspraxis Kunsthalle Bielefeld)

Transkription des Audios weiter unten.

Video der Stiftung Bauhaus Dessau zum Licht-Raum-Modulator

 

Transkription des Audios

Stell dir vor, du stehst im Scheinwerferlicht einer Bühne. Licht fällt durch farbige Filter, wirft geometrische Schatten auf die Wand. Dieses Spiel von Licht und Form findet sich auch in László Moholy-Nagys „Komposition K XVII“ wieder.

Das 1923 entstandene Werk zeigt geometrische Formen in verschiedenen Farben, die sich überlagern und durchdringen. Ihre klaren Konturen und die spannungsreichen Raumbezüge halten den Blick in ständiger Bewegung – eine visuelle Dynamik, die Moholy-Nagy bewusst inszenierte.

„Der immanente Geist sucht: Licht, Licht! Der Umweg der Technik findet: Pigment“, schrieb der Künstler über sein Streben nach direkter Lichtgestaltung: Das Zitat stellt die Frage, weshalb Künstler*innen mit Farbe malen müssen, um Licht zeigen zu können. Als Lehrer am Bauhaus ab 1923 prägte er maßgeblich den Wandel der Schule vom Expressionismus zum Konstruktivismus mit.

Seine Faszination für Licht fand ihren Höhepunkt im „Licht-Raum-Modulator“, einer kinetischen, also sich bewegenden Skulptur, die er von 1922 bis 1930 entwickelte. Dieses aus glänzendem Metall, Kunststoff und Glas gefertigte vom Künstler so bezeichnete „Lichtrequisit“ erzeugt durch Bewegung und Lichtquellen faszinierende Licht- und Schattenspiele – eine dreidimensionale Weiterentwicklung der Prinzipien, die wir bereits in der „Komposition K XVII“ erkennen.

In beiden Werken wird sichtbar, wie Moholy-Nagy die Grenzen traditioneller Kunst überwand und neue Wege fand, mit Licht als grundlegendem Medium zu gestalten. Seine Einbeziehung des Raumes in die künstlerische Arbeit findet sich auch in Xanti Schawinskys Arbeiten wieder.

 

Text: Matthias Albrecht
Eingesprochen von: Matthias Albrecht
Aufnahme und Schnitt: Matthias Albrecht, Nadine Kleinken (Digitale Museumspraxis Kunsthalle Bielefeld)

Die „Bildreihe Bauhaus“ von Kurt Kranz, auch als Leporello bekannt, ist ein Werk, das viele Grundideen des Bauhauses in einer visuellen Sequenz, also einer Reihenfolge von Bildern, einfängt. Entstanden ist es 1930-31 während seiner Zeit am Bauhaus Dessau. Das Werk zeigt die innovative Verbindung von Kunst, Design und Film, die für diese Schule prägend war.

Das Leporello besteht aus einer Abfolge von Zeichnungen, die wie ein Filmstreifen wirken. Kranz entwickelte hier eine Art „visuelle Erzählung“, bei der sich geometrische Formen und Farben schrittweise verändern und miteinander interagieren. Folge der Reihe einmal von Anfang bis Ende: Sie beginnt mit einfachen Linien und Formen, die sich allmählich zu komplexeren Mustern und Strukturen verdichten. Dabei experimentiert Kranz mit Wiederholungen, Variationen und Transformationen – Prinzipien, die auch in der Bauhaus-Lehre zentral waren.

Besonders spannend ist, dass Kranz diese Sequenz ursprünglich als Grundlage für einen abstrakten Farbfilm konzipierte. Die Faltung des Leporellos erlaubt es, die Bilder sowohl einzeln als auch in ihrer Gesamtheit zu betrachten – ähnlich wie bei einem Film, der sowohl Einzelbilder als auch eine fließende Bewegung enthält. Diese Herangehensweise war visionär und zeigt den Einfluss von Lehrenden wie László Moholy-Nagy, der selbst mit experimentellen Filmen arbeitete.

Das Werk wurde erstellt mit Aquarell, Gouache und Feder/Tusche auf Papier, auf Leinwand aufgezogen.

 

Text: Matthias Albrecht
Eingesprochen von: Nadine Kleinken
Aufnahme und Schnitt: Matthias Albrecht, Nadine Kleinken (Digitale Museumspraxis Kunsthalle Bielefeld)

Transkription des Audios ganz unten.

Zusatzinformation:

Das Kabinett der Abstrakten – Kunst zum Anfassen (1927)

Stell dir vor, du betrittst einen Raum, in dem sich die Wände mit dir bewegen – wo Kunst nicht nur angeschaut, sondern erlebt wird. Genau das war El Lissitzkys revolutionäre Idee für sein „Kabinett der Abstrakten“, das er 1927 im damaligen Provinzialmuseum Hannover erschuf.
Während wir heute selbstverständlich durch interaktive Ausstellungen gehen, war Lissitzkys Konzept damals bahnbrechend. „Wir zerstören die Wand als Ruhebett für ihre Bilder“, erklärte er. Mit Lamellenwänden und beweglichen Elementen forderte er die Besucher*innen auf, selbst aktiv zu werden – ähnlich wie wir heute mit unseren Fingern über Touchscreens wischen.
In diesem einzigartigen Raum präsentierte er Werke von Pablo Picasso, Piet Mondrian, Walter Dexel und anderen modernen Künstlern. Der Raum selbst wurde zum Kunstwerk, das sich mit jedem Besuch veränderte.
1937 wurde das „Kabinett der Abstrakten“ im Rahmen der „Aktion Entartete Kunst“ von den Nationalsozialisten zerstört. 30 Jahre später wurde das Kabinett rekonstruiert. Heute ist es im Sprengel Museum Hannover zu erleben – ein Ort, an dem du auch heute noch sehen kannst, wie eine 100 Jahre alte Idee unsere Art, Kunst zu betrachten, für immer verändert hat.

Mehr dazu findest du in diesem Artikel der taz.

 

Transkription des Audios

Klare, einfache Formen, kombiniert zu grafischen Konstruktionen: Das ist Walter Dexels „Mappe 1“ aus den Jahren 1926 bis 1930. Sie zeigt Dexels Meisterschaft im Gestalten nach den Vorgaben des Bauhauses.

Walter Dexel, 1890 in München geboren, prägte als Kunsthistoriker und Leiter des Jenaer Kunstvereins von 1916 bis 1928 die Kunstszene seiner Zeit. In dieser Position organisierte er zunächst Ausstellungen von Expressionist*innen und Dadaist*innen, später pflegte er auch enge Kontakte zum nahen Bauhaus in Weimar. Seine typografischen Gestaltungen prägten das Erscheinungsbild des Kunstvereins und zeugten von seinem Gespür für klare, funktionale Ästhetik.

In den Arbeiten der „Mappe 1“ wie „Figuration auf Schwarz“ oder „Komposition mit zwei roten Scheiben“ findet sich die für das Bauhaus typische Reduktion auf geometrische Grundformen, klare Linien und Flächen sowie die Verwendung von Grundfarben.
Verfolge einmal das Spiel mit horizontalen und vertikalen Linien, die durch vereinzelte Diagonalen und Kreise aufgebrochen werden!

Die Qualität seiner konstruktiven Arbeiten brachte Dexel 1927 die Ehre ein, in El Lissitzkys berühmtem „Kabinett der Abstrakten“ im damaligen Provinzialmuseum Hannover (dem heutigen Landesmuseum) vertreten zu sein – einem revolutionären Ausstellungsraum, der speziell für die Präsentation abstrakter Kunst konzipiert wurde.

Dexels Werk steht exemplarisch für die Verbindung von Kunst und Alltag, die das Bauhaus anstrebte. Seine klare Formensprache fand später auch Anwendung in seiner Tätigkeit als Werbegrafiker und Designer – ganz im Sinne der Bauhaus-Idee, die Grenzen zwischen Kunst und Leben aufzuheben.

 

Text: Matthias Albrecht
Eingesprochen von: Matthias Albrecht
Aufnahme und Schnitt: Matthias Albrecht, Nadine Kleinken (Digitale Museumspraxis Kunsthalle Bielefeld)

Bestimmt hast du das auch schon einmal erlebt: Wie unterschiedlich die Farbe des Himmels wirken kann, je nachdem, welche Farbe die Gebäude vor diesem Himmel haben. Oder dass ein orangefarbenes Shirt mit einer dunkelblauen Hose besonders kräftig zu leuchten scheint. Genau dieses Phänomen der Farbwahrnehmung faszinierte Josef Albers sein Leben lang.

In seiner berühmten Werkreihe „Homage to the Square“, an der er von 1950 bis zu seinem Tod 1976 arbeitete, experimentierte Albers mit ineinander geschachtelten Quadraten. Über 1000 solcher Werke schuf er in dieser Zeit – eine wissenschaftliche Versuchsreihe zur optischen Wirkung von Farben.

Wie ein Forscher im Labor trug Albers seine Farben direkt aus der Tube mit dem Palettenmesser auf, schichtweise, methodisch. Dadurch entdeckte er, wie dieselbe Farbe je nach Umgebung völlig unterschiedlich wirken kann – wärmer, kälter, näher oder ferner.

1967 gab er die hier ausgestellte Grafikmappe mit 12 Siebdrucken heraus. Sozusagen eine Auswahl seiner Forschungsstudien.

Die Grundlagen für diese Farbstudien erwarb Albers am Bauhaus, Xanti Schawinsky und Albers sich kennenlernten. Diese Freundschaft sollte später bedeutsam werden, als beide vor den Nationalsozialisten fliehen mussten. Albers emigirierte bereits 1933 in die USA. So konnte er Xanti und Irene Schawinsky drei Jahre später bei der Flucht in die USA helfen und ihm eine Stelle am Black Mountain College vermitteln.

 

Text: Matthias Albrecht
Eingesprochen von: Nadine Kleinken
Aufnahme und Schnitt: Matthias Albrecht, Nadine Kleinken (Digitale Museumspraxis Kunsthalle Bielefeld)

Gallerie

32 mit durchscheinenden Farben bemalte Blätter nebeneinander. Sie zeigen geometrische Formen, Muster und LInien, die sich von Blat zu Blatt weiterzuentwickeln scheinen. Wie eine Kamerafahrt, die immer näher an eine Struktur heranzoomt.
Kurt Kranz, Bildreihe Bauhaus/Farbfilm, genannt "Leporello", 1930/31, Aquarell, Gouache und Feder/Tusche auf Papier, auf Leinwand aufgezogen. Sammlung Kunsthalle Bielefeld, Foto: Ingo Bustorf
Eine große menschliche Sitzfigur im Profil. Sie schaut nach rechts, ist aus Stahldraht geformt und abstrahiert. Sie trägt auf ihrer linken Hand eine kleinere menschliche nackte Figur. Diese steht in Rückenansicht und ist aus silbernem Metall. Beide Figuren erscheinen als Relief vor weißem Grund.
Oskar Schlemmer, Drahtfigur Homo mit Rückenfigur auf der Hand, 1930/31 (1968) Kunsthalle Bielefeld, Foto: Philipp Ottendörfer, © für Schlemmer: gemeinfrei
Vor einem schwarzen Raum scheinen geometrische Formen in unterschiedlichen Farben zu schweben. Manche sind transparent. Ganz hinten ein weißes Viereck mit teilweise spitzen Winkeln, davor graue Flachen wie aufgefächert. Davor ein schmales aufrechtes gelbes Viereck mit einem sehr schmalen hellblauen Rechteck. Um unteren Bereich vier rote schmale Rechtecke, die wie Latten oder ein aufgeklappter Zollstock eine an zwei Enden spitze Vierecksform bilden.
László Moholy-Nagy, Komposition K XVII, 1923, Öl auf Leinwand. Sammlung Kunsthalle Bielefeld. Foto: Axel Struwe
Zwei angeschnittene orangerote Kreise. Einer oben links, einer unten rechts. Sie berühren einander beinahe im oberen Drittel des Blatts. Auf den Kreisen sind ein weißes und mehrere unterschiedlich breite schwarze Rechtecke platziert.
Walter Dexel, Komposition mit zwei roten Scheiben, aus "Mappe 1", 1926-30. Mappe mit 6 Farbserigrafien auf festem Velin. Sammlung Kunsthalle Bielefeld
Drei aufeinander gemalte Quadrate, von hinten nach vorn kleiner werdend. Das hintere türkis, dann dunkelgrüngrau, vorn ein kleineres in Blauviolett.
Josef Albers, Blue Reminding, 1966, Serigrafie, 43 x 43 cm, Sammlung Kunsthalle Bielefeld, VG Bild-Kunst Bonn, 2025, Foto: Philipp Ottendörfer