Dóra Maurer

So sehen und anders sehen

Mehrere Ausstellungsräume der Kunsthalle. Im Vordergrund auf einer weißen Wand gebogene farbige Rechteckformen. Weiter hinten mehr Werke in unterschiedlichen geometrischen Formen.
Dóra Maurer. So sehen und anders sehen. Installationsansicht. Foto: Philipp Ottendörfer

Dóra Maurer (*1937, lebt in Budapest) gilt als prominente Vertreterin der sog. Neo-Avantgarde. Sie gehört damit zu Künstler*innen, die seit den 1960er-Jahren progressive Wege jenseits der offiziellen staatlichen Kulturpolitik Ungarns gingen. Ihre Arbeiten in den Medien Grafik, Fotografie, Film, Aktionskunst und Malerei zeigen eine konzeptuelle Herangehensweise. Zentrale Aspekte sind Wahrnehmung, Bewegung, Verschiebung und Transformation.

Die Abstraktion, insbesondere diejenige des Westens, wurde in den frühen Jahren der Bundesrepublik Deutschland als eine politische „Bereinigung“ eingeführt, stellvertretend für Ideale wie Demokratie, Freiheit oder Offenheit. Entsprechend sind auch zahlreiche Sammlungen in deutschen Museen ausgerichtet, darunter auch diejenige der Kunsthalle Bielefeld. In Ländern wie Ungarn, im damaligen Ostblock, hingegen hatte die Abstraktion durchaus eine „oppositionelle“ Konnotation.

Durch die Nicht-Gegenständlichkeit ihrer Arbeiten, aber auch durch ihre Kontakte und Reisen in den Westen, die aufgrund ihrer doppelten Staatsbürgerschaft (ungarisch und österreichisch) schon vor 1989 möglich waren, nimmt Dóra Maurer eine Sonderstellung in der vom figurativen Sozialistischen Realismus dominierten ungarischen Kunstszene ein. Ihre Experimente in den Medien Fotografie und Film in den 1970er-Jahren sowie ihre auf prozessualer Verschiebung beruhenden abstrakt-geometrischen Arbeiten setzen ihr Werk in offensichtliche Parallelität zur Nachkriegskunst Westeuropas und der USA. Tatsächlich jedoch sind ihre Arbeiten ohne die Erfahrung des Lebens unter dem kommunistischen Regime nicht zu denken.

In Verbindung mit einer Sammlungspräsentation eigener Werke der deutschen und US-amerikanischen Konzeptkunst und Minimal Art stellt die Ausstellung die Frage nach den unterschiedlichen historischen Bedingungen, die zur Abstraktion und ihrer politischen Aufladung diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs führten. Angesichts einer längst globalisierten Welt und der damit in Verbindung stehenden Hinterfragung des künstlerischen Kanons und entsprechender Ausstellungs- und Sammlungspolitik möchte die Kunsthalle Bielefeld mit der Präsentation von Dóra Maurer alternative Geschichten der Abstraktion vorstellen.

Die Ausstellung umfasst etwa 60 Werke aus fünf Jahrzehnten. Maurers Selbstbehauptung im primär männlich besetzten Feld abstrakter Kunst soll ebenso Berücksichtigung finden wie ihre Erarbeitung experimenteller Workshops in den 1970er-Jahren, mit denen sie den damals politisch eingeschränkten Handlungsspielraum zu erweitern suchte. Bis heute hat Dóra Maurer durch ihr Wirken als Professorin an der Akademie der bildenden Künste in Budapest, als Gründungsmitglied und Präsidentin der Open Structures Art Society (OSAS), Budapest, und als freie Kuratorin Vorbildfunktion für viele jüngere Künstler*innen in Ungarn.

Die Ausstellung wird gefördert von der Kulturstiftung pro Bielefeld und der Kunststiftung NRW.

Gallerie

Blick in zwei Ausstellungsräume der Kunsthalle. Ziemlich dunkel. Links an der Wand ein projiziertes geometrisches Muster, eigentlich ist dort wohl ein Laken zu sehen. Weiter weg an einer anderen Wand 12 annähernd quadratische Werke mit farbigem Rand, die sich ab dem achten Werk mehr und mehr aufzulösen scheinen.
Dóra Maurer. So sehen und anders sehen. Installationsansicht. Foto: Philipp Ottendörfer
Mehrere Ausstellungsräume der Kunsthalle. Im Vordergrund auf einer weißen Wand gebogene farbige Rechteckformen. Weiter hinten mehr Werke in unterschiedlichen geometrischen Formen.
Dóra Maurer. So sehen und anders sehen. Installationsansicht. Foto: Philipp Ottendörfer